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Stralsunder Organist Martin Rost: Ein halbes Jahrhundert für die Musik - Ostsee Zeitung

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„Ich bin begeistert!“ „Ganz wunderbar!“ „Diese Klarheit!“ „Großartig!“ „Ein Erlebnis!“ Eben hat

Martin Rost als Mitglied der Orgelkommission die neuen Pfeifen des Instruments in der Stralsunder Jakobikirche getestet und steckt nun mit Orgelbauer Kristian Wegscheider mitten in der Auswertung. Die beiden übertreffen sich in ihrer einhelligen Analyse des Klangs. Wegscheider spricht von der wahrscheinlich besten Orgel, die er je gebaut bzw. restauriert hat. Und Rost fügt an: „Ich konnte gar nicht aufhören, zu spielen.“

In wenigen Wochen soll in der für kulturelle Veranstaltungen genutzten

Jakobikirche alles fertig sein und die Orgel mit einer Festwoche und vielen Konzerten eingeweiht werden. Martin Rost ist die Freude darüber anzumerken.

Wenn er von dem prächtigen Musikinstrument und ihrer wendevollen Geschichte berichtet, wie sie erbaut wurde und nicht zu viel kosten durfte, welche Schwächen die früheren Überarbeitungen hatten, wie sie nach dem

Zweiten Weltkrieg ausgeräubert wurde und dass sie nun endlich wiederaufgebaut wird – all das verpackt er in detailreiche Erzählungen, denen man nur allzu gerne zuhört.

Nur die Musik blieb übrig

Der 57-Jährige weiß so viel über das Thema, weil das Orgelspielen seit Jahrzehnten sein Leben bestimmt. Vor 50 Jahren fing der in Halle/Saale geborene Musiker an, Klavier zu spielen. Mit 18 setzte er sich an die Orgel. Eigentlich wollte er Kunstgeschichte oder Archäologie studieren, aus politischen Gründen hatte er jedoch keine Chance. „Also blieb nur die Musik übrig.“

Als Student war er als zweiter Organist am Gewandhaus in

Leipzig tätig und schloss das Studium 1989 ab. Er ging als Organist an die Konzerthalle Frankfurt (Oder) und wechselte 1997 nach Stralsund. Seither ist er Organist und Kantor an der Marienkirche. Mehr als 30 Stunden Musik hat er bisher auf CD aufgenommen.

Sein Arbeitsplatz ist einer der ältesten in der Stadt, wie er gerne betont. 1659 wurde die mit zahlreichen spielerischen Elementen verzierte bis zu 20 Meter hohe Orgel in der Marienkirche fertiggestellt. Mit ihren 3500 Pfeifen und 51 Registern ist sie Musikinstrument und Kunstwerk gleichermaßen. Unzählige Male hat

Rost auf ihr schon gespielt, übt ein bis zwei Stunden täglich.

Repertoire umfasst hunderte Stücke

Für den Hörer sei oft gar nicht zu merken, wie viel Arbeit in einem Lied steckt, meint er. Fragt man ihn, wie viele Stücke sein Repertoire umfasst, holt er tief Luft, überlegt, mag sich dann aber doch nicht festlegen. Hunderte? „Ja“, sagt er und nickt eifrig. „Auf jeden Fall.“

Er spiele sehr gerne alte Musik, aber auch Werke aus dem 19. Jahrhundert. „

Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt und solche Sachen. Romantische Musik, Barock“, zählt er auf. „Modernes eher weniger.“ Selbst komponieren tut er nicht.

Trotz seiner jahrzehntelangen Erfahrung sagt der Musiker: „Aufgeregt bin ich immer vor einem Konzert.“ Wobei ihm das nicht anzumerken ist. An einem Konzertabend Anfang Juli huscht er nach kurzer Vorstellung des Programms mit gesenktem und konzentriertem Blick vom Innenraum hoch zur Orgel. In der Kirche ist nichts außer seinen leisen Schritten zu hören. Es folgt ein Moment absolute Stille. Plötzlich schallen wuchtige Töne der prachtvollen Orgel durchs Gotteshaus.

Musiker verschwindet hinter der Musik

Orgelkonzerte sind etwas Sonderbares. Das Publikum sieht weder Musiker noch Instrument, denn die Kirchenbänke sind üblicherweise zum Altar ausgerichtet. Die Zuhörer haben nur die Musik und die Gedanken und Gefühle, die sie in ihnen auslöst. Dennoch ist es ein anderes Erleben als herkömmliches Musikhören zu Hause. Denn die Kirche gibt mit ihrem Hall dem Klang ein spektakuläres Volumen, das kaum sonst irgendwo zu finden ist. Das Ambiente des Gotteshauses tut sein Übriges, um die Zuhörer in eine anmutige Stimmung zu versetzen. Der Musiker verschwindet sozusagen völlig hinter der Musik.

Der Spieler an der Orgel – ein Bild, das man als Konzertbesucher nicht sieht. Zumindest nicht hierzulande. Quelle: Christian Rödel

Das läuft aber nicht überall so ab. Auf seinen Konzertreisen, die ihn unter anderem in fast alle europäischen Länder, in die

USA, nach Mexiko und Kuba geführt haben, hat Rost manche sonderbare Erfahrung gesammelt. „In Italien wird nach jedem Stück geklatscht“, plaudert er aus dem Nähkästchen und findet das „schon etwas verrückt“. Auch fremdelt er mit dem Trend, den Organisten zu filmen und das Bild auf eine große Videowand zu übertragen, die vor dem Kirchenaltar platziert wird. Das sei in Polen sehr beliebt. „Einmal ist der Platz an der Orgel für die Kamera bunt ausgeleuchtet worden, wie in einer Disco. Ich dachte, ich bin im falschen Film.“

Zur Festwoche nimmt

Rost wieder eine CD auf

Auch in diesem Jahr wäre er wieder gereist, doch die

Corona-Krise hat die Pläne durchkreuzt. „Viele hochkarätige Termine sind leider nicht möglich“, bedauert er. Im Gewandhaus hätte er wieder spielen können. Auch eine Konzertreise nach Mallorca fiel aus. Doch für internationale Auftritte wäre womöglich aber auch gerade nicht die Zeit. Denn für die Einweihung der Orgel in der Jakobikirche muss er noch ein Programm einstudieren. Ende Juli wird es auf CD aufgenommen, die dann zur Festwoche zu haben sein soll. Die Zeit drängt. Die Orgel klingt zwar bisher „ganz wunderbar“, „fantastisch“ und „einzigartig“, ganz fertig ist sie aber noch nicht.

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Von

Kai Lachmann


July 07, 2020 at 12:03PM
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